Gleichberechtigung der Geschlechter

Nur noch 267 Jahre bis zu gerechten Löhnen

Von Christin Hohmeier · 2021

In vielen Unternehmen hat der Umbau für eine digitale Zukunft nach den Vorgaben von Arbeit 4.0 und dem Leitbild für gute Arbeit begonnen. Wichtige Aspekte dabei sind die Diversifizierung, die Qualität der Arbeit und die Unternehmenskultur. Die digitale Transformation kann insbesondere Frauen neue Karrierewege eröffnen.

Würfel mit den Symbolen für Frau und Mann liegen nebeneinander. In der Mitte wird ein anderer Würfel gerade gedreht, sodass ein Gleichheitszeichen zu sehen ist.
Viele Arbeitgeber versprechen schon heute die Gleichstellung aller Mitarbeiter:innen. Foto: iStock / Fokusiert

Jahr für Jahr erstellt das Weltwirtschaftsforum den „Global Gender Gap Report“ in dem die Kluft zwischen den Geschlechtern untersucht wird – und für wann eine mögliche Gleichstellung der Geschlechter zu erwarten sein könnte. Ein Ergebnis ist, dass für die Schließung der wirtschaftlichen Geschlechterkluft auch im neuen Jahrtausend noch etliche Jahre vergehen werden, bis es – laut Prognose – endlich soweit ist. Diese Kluft habe sich seit der 2020er Ausgabe nur unwesentlich verbessert; wonach bis zu ihrer Schließung noch etwa 267,6 Jahre vergehen müssten. Diesen insgesamt außerordentlich langsamen Prozess begründen die Autor:innen mit gegenläufigen Trends: Während der Anteil der Frauen unter den qualifizierten Fachkräften weiter steige, bestünden Gehaltsunterschiede und Benachteiligungen bei der Karriere fort. In Führungspositionen seien nur wenige Frauen vertreten. Besorgniserregend sei aus Sicht der Autor:innen, dass die meisten „Arbeitsplätze für morgen“ von Branchen mit einer historisch niedrigen Frauenbeteiligung gestellt werden. Dazu zählen sie beispielsweise Cloudcomputing – mit einer Frauenquote von lediglich 14 Prozent – oder die Ingenieursberufe mit nur 20 Prozent Frauenanteil. Etwas höher sei die Quote in der Informationstechnologie und der künstlichen Intelligenz, hier arbeiten laut Weltwirtschaftsforum etwa 32 Prozent Frauen. Kein Wunder also, dass Personalverantwortliche versuchen für diese Bereiche Expertinnen zu rekrutieren. Offensichtlich gibt es hier umfangreiche Ressourcen an Menschen mit großem Potential für die Zukunft der Unternehmen, die mit entsprechender Ansprache und individueller Förderung mobilisiert werden können.

Gleichberechtigung der Geschlechter: Für mehr Ausgewogenheit in der Organisation

Die Mitarbeiter:innen in den Personalabteilungen erklären, in erster Linie ginge es sicherlich darum, vakante Stellen mit den bestmöglichen Kandidat:innen zu besetzen. Doch häufig brächten Bewerberinnen die besseren Vorrausetzungen für die ausgeschriebenen Stellen mit. Und sicher sei für viele Unternehmen auch ein „anderer“ Blick in der Welt der Algorithmen nötig: Gerade in Disziplinen wie Machine Learning prägt der Hintergrund und die Bias der zumeist männlichen Entwickler den Output der Software. Gesucht werden zudem Expertinnen für Ethik, gesellschaftliche Auswirkungen und die Vereinbarkeit von künstlicher Intelligenz und Compliance-Vorgaben. So seien die Unternehmen bereit, Positionen und Karriereplanung nach den Wünschen der neuen Mitarbeiterinnen zu modellieren. Denn besonders in den MINT-Berufen sei auf dem Arbeitsmarkt die Nachfrage hoch und die Konkurrenz um die Bewerber:innen hart. Deshalb müssten die Unternehmen alle denkbaren Ressourcen mobilisieren, um beim Generationenwechsel von der Generation Babyboom zur Generation Y freiwerdende Stellen zu besetzen. Aber eine zweite Intention ist es mit den Konzepten und Vorstellungen der „Arbeit-4.0“-Modelle mehr Ausgewogenheit und Diversität in den Organisationen zu installieren. Mit dieser neuen 

Unternehmenskultur sollen auch überholte Gesetzmäßigkeiten bei der Besetzung von Managementpositionen durchbrochen werden. Karrierewege, die auf veraltete männliche und weibliche Rollenmodelle zugeschnitten sind und Männer bei der Besetzung von Führungspositionen offensichtlich klar bevorzugen, sollen abgeschafft werden. Dazu gehört auch, dass die Personalabteilungen gezielt Frauen ansprechen, um mit ihnen Karrieren zu diskutieren, die Familienplanung, neue Arbeitszeiten, Elternzeiten oder auch Homeoffice ausdrücklich mit einschließen. Und nicht nur die Frauen sind an diesen Themen interessiert. Immer mehr junge Männer fragen diese nach und bekunden ihr Interesse, mehr am Leben ihrer Kinder teilnehmen zu können und nicht erst dann persönlich in Erscheinung zu treten, wenn sie in ein paar Jahrzehnten in Rente gehen. Viele möchten ihre Kinder aufwachsen sehen und einen fairen Anteil der Care-Arbeit übernehmen. 

Diversität mit Konfliktpotential 

Wenn die Personalabteilungen die Karrieren von Frauen gezielt fördern – und das insbesondere auch in Ingenieursberufen, in den Wissenschaften und auf dem Weg in das Management – sorgt dies in vielen Unternehmen für heftige Diskussionen und Proteste. Viele Männer sehen in der Förderung ihrer Kolleginnen eine ungerechte Bevorzugung beim Weiterkommen und eine Behinderung ihres eigenen Aufstiegs. Der interne Wettbewerb um die frei werdenden Positionen in Führung und Management gerate aus dem Gleichgewicht, argumentieren sie. Die Frauen dagegen verstehen diese Einwände häufig als Teil einer Neiddebatte, in der es viel mehr um Geschlechterrollen und Vorurteile geht, als um Wissen und berufliche Expertise. 

Welche Fächer Studentinnen wählen

Arbeit-4.0-Unternehmenskultur 

Doch das für diesen Neid in den Unternehmen kein Platz ist, zeigen die blanken Zahlen. Frauen seien laut Weltwirtschaftsforum in den wachstumsträchtigen Berufen schon vor der Pandemie zahlenmäßig nur sehr schlecht vertreten gewesen. Und die Expert:innen rechnen damit, dass die Gleichstellungsprobleme in vielen Betrieben und Organisationen nach der Pandemie eher zunehmen werden. Dabei sei heute schon festzustellen, dass es einen weltweiten Fachkräftemangel geben wird, den die männliche Hälfte der Bevölkerung nicht allein auffangen kann. Dabei sei die Kompetenz der Schlüssel für die Karrieren – und zwar bis in das Topmanagement und in die Spitzen der Volkswirtschaft – nicht das Geschlecht. Das Umdenken in den Personalabteilungen hat sehr viel mit Mut zu tun und mit der Ambivalenz zwischen den neuen Arbeit-4.0-Modellen und den althergebrachten internen Netzwerken sowie dem Hierarchiedenken der alten Organisation. Was sich ändern muss, ist nicht nur das Mindset der Mitarbeiter:innen bis ganz nach oben in die Chefetage – und nur wenn das tatsächlich passiert, gibt es vielleicht bald auch Chefinnen genau auf dieser Etage. Das gesamte Unternehmen muss sich neu aufstellen, neue Wertvorstellungen vereinbaren. Ein höherer Anteil von Frauen in Führungspositionen könnte ein gutes Zeichen sein.

Quellen:
Die Bundesregierung: So fördert Deutschland Frauen in der Wissenschaft
www.komm-mach-mint.de

Wussten Sie schon, dass ...

... künstliche Intelligenz im Personalwesen eine immer wichtigere Rolle einnimmt? So wird das digitale Arbeiten und die digitale Kultur nicht nur in der Personalstrategie umgesetzt, sondern von den Verantwortlichen auch gelebt. Denn wenn Mitarbeiter:innen in den Personalabteilungen von der Arbeit mit digitalen Listen oder Papierformularen entlastet werden, können sie sich um kreative Aufgaben kümmern. Sie übernehmen Verantwortung für die Karrieren und unterstützen mit Weiterbildung, Qualifizierungen und dem Erreichen der nächsten Meilensteine. Vorrausetzung ist, dass die HR-Beschäftigten die digitalen Werkzeuge in die Hand bekommen und diese Tools qualitativ okay sind.

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