Energiebranche

Die Energiewende: ein riesiges IT-Projekt

Von Hartmut Schumacher · 2022

Die zunehmende Digitalisierung in der Energiewirtschaft verändert nicht nur viele Berufsbilder, sondern schafft auch neue Berufe – für die allerdings nicht immer genügend Bewerber vorhanden sind.

Zwei Ingenieure stehen vor einer Reihe von Windrädern und diskutieren
Foto: iStock/BulentBARIS

Der digitale Wandel macht vor keiner Branche halt. In der Energiewirtschaft jedoch spielt er eine noch größere Rolle als anderswo. Hier sorgt die Digitalisierung nicht etwa nur dafür, dass Abläufe effizienter und komfortabler stattfinden, sondern sie erweist sich als unverzichtbar. Denn die Energiewirtschaft muss neben der allgemeinen Transformation auch noch die Energiewende stemmen. Und das lässt sich ohne den Einsatz moderner Informations- und Telekommunikationstechnik nicht erreichen. Ein Grund ist, dass es bei der Energiewende oft darum geht, große Datenmengen zu übertragen und schnell zu verarbeiten. Das Paradebeispiel dafür sind smarte Stromnetze, die sich darum kümmern müssen, die Energieerzeugung erneuerbarer und konventioneller, öffentlicher und privater Quellen miteinander zu koordinieren. 

Dennoch ist die digitale Kultur in der Energiewirtschaft noch ausbaufähig: Laut der Studie „Digital@EVU 2021“ des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) verfügen lediglich 56 Prozent der befragten Unternehmen über eine digitale Strategie – immerhin zwölf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Weitere Beispiele für die Digitalisierung in der Energiewirtschaft sind Smart Meter, intelligente Stromzähler, die es den Netzbetreibern unter anderem ermöglichen, ihre Stromerzeugung besser an den tatsächlichen Verbrauch anzupassen, und virtuelle Kraftwerke, also Zusammenschlüsse von mehreren Stromerzeugungsanlagen, die ihre Energie gebündelt ins Stromnetz einspeisen. Auch der automatisierte Stromhandel, bei dem statt Menschen Algorithmen elektrische Energie auf dem Großhandelsmarkt kaufen und verkaufen, kann angeführt werden.

Neue Berufe in der Energiebranche

„Kaum eine Branche hat sich in den vergangenen Jahren so stark gewandelt wie die Energiewirtschaft“, erläutert Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. „Durch die Energiewende und die Digitalisierung sind eine Reihe neuer Geschäftsfelder, Marktteilnehmer und Geschäftsmodelle hinzugekommen. Die Energiewirtschaft ist vielfältiger und bunter geworden – und mit ihr ihre Berufsbilder und Tätigkeitsfelder.“ Diese Transformation erfordert einen hohen Managementbedarf. Kreative Köpfe mit Gestaltungswillen aus diversen Fachrichtungen sind daher an allen Stellen gefragt. Es sind aber auch ganz neue und spannende Berufe entstanden. Dazu gehören der Power-Trader, der Regulierungsmanager, der Service-Techniker für Windenergie sowie der Drohnen- und Roboterpilot für die Wartung der Infrastruktur. Zudem haben sich wegen des steigenden Anteils erneuerbarer Energien die Tätigkeiten in klassischen Berufen wie Elektrotechniker oder Elektroingenieur grundlegend verändert. „Neben Ingenieurinnen und Ingenieuren gibt es in der Energiewirtschaft auch einen großen Bedarf nach IT-Fachkräften. Die Vernetzung und intelligente Steuerung von Millionen Erzeugungsanlagen, Elektrofahrzeugen, Netzen, Industrie 4.0 und vielen weiteren Komponenten durch die Energiewirtschaft macht die Energiewende zu einem riesigen IT-Projekt. Es braucht qualifizierte IT-Fachkräfte, um die riesigen Datenmengen zu bewältigen und beispielsweise die Kommunikation zwischen der Netzleitstelle und dem Haushalt intelligent zu machen.“ Verringern wird sich dagegen – laut dem „The Future of Jobs Report 2020“ des World Economic Forum – der Bedarf an Angestellten in der Verwaltung und der Buchhaltung sowie an Mechanikern und Bedienern von Energieerzeugungs-, Bergbau- und Erdölanlagen.

Fachkräftemangel

Die neu benötigten Qualifikationen sind für die Branche schwer in ausreichendem Maße zu finden – auch intern nicht. Knapp 80 Prozent der Unternehmen, die an der „Digital@EVU 2021“-Studie teilgenommen haben, sind mit der Verbreitung von digitalisierungsrelevanten Kompetenzen „nicht sehr zufrieden“. Deshalb forcieren die Unternehmen die Weiterbildung ihrer Angestellten.  Die Qualifizierung des bestehenden Personals wird an Bedeutung gewinnen, weil der Fachkräftemangel in bestimmten Berufsfeldern über den Arbeitsmarkt immer weniger beherrschbar sein wird. Das Verbundprojekt NEW 4.0 beispielsweise sieht zukünftige Personalengpässe vor allem in den Bereichen Data Science, IT-Sicherheit und Informations- und Kommunikationstechnik. Gerade in diesen Gebieten sei das Angebot an Studiengängen jedoch gering. Der Abschlussbericht des Projekts zieht das Fazit, dass „gezielte Weiterbildungsangebote im Zusammenspiel von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und gewerblich-technischen Bildungsträgern ein passgenaues Angebot zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts bieten können“, um einen Fachkräftemangel zu vermeiden.

Interesse an Nachhaltigkeit

Sind qualifizierte Arbeitnehmer vorhanden, dann haben Energieunternehmen gute Karten beim Anwerben: Erstens, weil für jüngere (aber auch für ältere) Bewerber Nachhaltigkeit bei der Jobsuche eine immer größere Rolle spielt. Denn etliche Studentinnen und Studenten wollen ihre Zukunft gestalten und verlangen von ihrem Arbeitgeber daher Innovationskraft und Engagement für den Klimaschutz. Umfragen zufolge ist Nachhaltigkeit für über 80 Prozent der Studierenden relevant bei der Wahl ihres zukünftigen Arbeitgebers. Das Bekenntnis zu einer Corporate Social Responsibility hat daher gerade auch für die Energiewirtschaft in Bezug zum Recruiting einen enorm hohen Stellenwert. Für einen attraktiven Arbeitgeber gehören sinnstiftende Aufgabenfelder schon im Sinne des „NewWork-Trends dazu. Da Unternehmen, die in der Energieversorgung tätig sind, einen besonders hohen Hebel auf den Kampf gegen die CO2-Emissionen haben, ziehen sie kreative Menschen mit einem Bedürfnis nach neuen Arbeitswelten besonders an. Diese Chance sollte die Branche nutzen.

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