Digital Know-how

Spannende Zeiten für Könner

Von Michael Gneuss · 2021

Der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen und für Unternehmen vor allem auf dem Weg in die digitale Transformation zu einer großen Herausforderung werden. Damit ergeben sich aber auch vielfältige Jobchancen für Ingenieurinnen und Ingenieure und Menschen mit IT-Kenntnissen. In Zukunft steht die Gestaltung des Berufslebens unter ganz anderen Vorzeichen.

Der Hinterkopf einer Frau ist mit technischen und Digital-Symbolen versehen
Digital Know-how ist heute ein wichtiger Faktor für die Karriere. Foto: iStock / metamorworks

Jahrzehntelang war die Arbeitslosigkeit eines der dominierenden Themen in der Wirtschaft. Wirtschaftspolitische Entscheidungen wurden in öffentlichen Diskussionen stets darauf abgeklopft, ob sie Arbeitsplätze bringen. Viele junge Menschen beschäftigten sich mit der Frage, ob oder wie sie überhaupt einen Job finden können. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern war die Furcht vor dem Arbeitsplatzverlust oftmals groß. Diese Erfahrungen prägen auch noch die Gedanken vieler Menschen, wenngleich sich der Arbeitsmarkt mehr und mehr dreht. In diversen Mangelberufen suchen sich heute die Arbeitnehmer einen Arbeitgeber aus, weil in den entsprechenden Branchen jedes Unternehmen fast ständig Stellen zu besetzen hat. Es wird nicht mehr bei Bedarf eine Planstelle besetzt, Recruiting ist zur Daueraufgabe geworden. 

Gravierende Engpässe

Die Tendenz kennen wir schon lange, doch welche Auswirkungen das haben kann – und bedauerlicherweise wohl auch haben wird –, dämmert vielen Menschen erst jetzt so richtig. Wenn in England die Tankstellen kein Benzin mehr haben, weil es viel zu wenige Lkw-Fahrer gibt, merken wir, wie stark die Lieferketten von Fachkräften abhängig sind. Wenn die Gastronomie um elf Uhr schließt, weil die Gastronomen die letzte Schicht der Servicekräfte nicht mehr besetzen können, dann spüren wir, dass auch so trivial erscheinende Dienstleistungen nicht selbstverständlich sind. Und wenn wir wochenlang warten müssen, bis ein Handwerker kommt, um Reparaturen in unserer Wohnung auszuführen, wissen wir: Wir haben ein Problem. Sehr viel weniger fällt es auf, wenn wir bei den ganz großen gesellschaftlichen Herausforderungen nicht so vorankommen, wie wir es könnten, wenn wir genug Fachkräften hätten. Doch gerade hier sind die Folgen fatal. Für den Klimaschutz und die Klimaanpassung werden wir immense Kapazitäten an Ingenieuren und anderen Fachleuten brauchen. Für die digitale Transformation sind weitaus mehr IT-Spezialisten nötig, als wir haben. Dabei ist der Status quo nur ein Vorgeschmack auf das, was kommt, wenn die geburtenstarken Jahrgänge tatsächlich aus Altersgründen die Arbeit niederlegen werden. Schon jetzt können in Deutschland fast 100.000 IT-Stellen nicht besetzt werden. Bis zum Jahr 2030 wird diese Zahl auf 1,1 Millionen hochschnellen, prognostiziert die Boston Consulting Group. 

Digital Know-how: IT-Kompetenz als Lösung

Die Informationstechnologien stehen dabei in einem besonderen Spannungsverhältnis zur eigentlichen Herausforderung. Denn IT-Kompetenz ist auf dem Arbeitsmarkt in besonderem Maße knapp und gleichzeitig eine Lösung des Problems. Denn IT kann Fachkräfte ersetzen und je intelligenter die Programme werden, umso mehr wird auch qualifiziertes Personal für andere Aufgaben frei werden. Stichwort: künstliche Intelligenz (KI). Gäbe es schon heute autonom fahrende Lkw, wäre der Fahrermangel in der Logistik ein deutlich geringeres Problem. Auch kann IT durch weitere Automatisierungsschritte im verarbeitenden Gewerbe und in der Verwaltung den Personalbedarf senken. 

Auf den Arbeitsmarkt kommen jetzt junge Menschen, die im alten Jahrtausend noch gar nicht gelebt haben oder es zumindest bewusst nicht wahrgenommen haben. Sie organisieren ihr Berufsleben ohne die Erfahrungen der Jahre in denen Arbeitsplätze knapp waren. Selbstbewusst formulieren sie Ansprüche gegenüber ihren potenziellen Arbeitgebern. Gleichzeitig sind sie sich bewusst, dass sie gebraucht werden, um zum Beispiel die Mobilitätswende voranzutreiben, die Energieversorgung umzubauen, klimaneutrale Produkte zu entwickeln, die Gesundheitsversorgung voranzubringen oder urbane Räume zeitgerecht zu modernisieren. Die Liste könnte noch beliebig verlängert werden, denn der Gestaltungsraum ist immens. Kaum eine Generation stand jemals vor so einschneidenden Aufgaben und gleichzeitig vor so großen Chancen zur Verwirklichung individueller Ziele im Berufsleben. 

Eine junge Person recherchiert im Internet
Junge Menschen prüfen Arbeitsangebote sehr genau. Foto: iStock / Laurence Dutton

Bessere Arbeitsbedingungen

Dieser Aspekt spielt heute eine große Rolle, wenn Arbeitgeber sich den Kandidatinnen und Kandidaten präsentieren. Employer Branding ist heute für viele Unternehmen nicht minder wichtig als das klassische Marketing. Denn Firmennamen sind nicht mehr nur Marken, die ein Produktversprechen hinterlegen, sondern auch ein Label, das Talenten signalisieren soll: Hier könnt ihr etwas bewegen und dennoch euer Leben leben. Denn die Arbeitnehmer werden anspruchsvoller. Unternehmen müssen heute eine ausgewogene Work-Life-Balance ermöglichen, ebenso wie angenehme Arbeitsbedingungen und Freiheiten bei der Wahl des Arbeitsorts. Viele Menschen wollen heute auf das Homeoffice nicht mehr verzichten. Doch dafür bekommen sie – gerade auch von der neuen Generation – ein hohes Maß an Leistungsbereitschaft. Deren Gestaltungswillen empfinden viele Unternehmen nicht als unbequem, sondern als große Chance. Denn die Bedürfnisse der Jugend sind wichtige Märkte von morgen. Mit klimagerechten und smarten Lösungen wird Deutschland in der Zukunft das Qualitätslabel „Made in Germany“ aufrechterhalten können. Dabei stehen wir jedoch in einem Wettbewerb, der auch durch die Verfügbarkeit von IT-Kompetenz entschieden wird. In China wird beispielsweise massiv in künstliche Intelligenz investiert. Mehr als 100 Studiengänge sind eingerichtet worden, die den interdisziplinären Ansatz „KI + X“ verfolgen. Dabei wird KI in Verbindung mit Fächern wie Physik, Biologie, Statistik, Mathematik, Psychologie oder Soziologie gelehrt. 

Mehr Frauen in Vorständen

In Deutschland werden künftige Berufswege vom Format „Karriere 4.X“ ebenfalls durch fachbereichsübergreifende Kompetenzen geprägt sein. „4.X“ steht einerseits für den nächsten Schritt nach „4.0“ und gleichzeitig für eine neue diversere Arbeitswelt, in der das Berufsleben stärker von Frauen in Führungspositionen geprägt sein wird. Dafür sorgt die Gesetzgebung, die für bestimmte Unternehmen mindestens eine Frau im obersten Führungsgremium festschreibt, aber auch der Druck aus den sozialen Medien. Firmen, die heute ein Foto eines rein aus Männern bestehenden größeren Vorstandsteams veröffentlichen, kassieren dafür regelmäßig einen heftigen Shitstorm. Je mehr Frauen aber in den Führungsetagen ankommen, desto mehr werden auch nachrücken, weil Frauen schließlich auch stärker Frauen fördern – ebenso wie Männer stärker Männer fördern. In IT-Berufen sind Frauen allerdings noch immer stark unterrepräsentiert. Doch auch hier wächst das Interesse. Derzeit liegt der Anteil bei 18 Prozent, das sind zwei Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr. In Informatik-Studiengängen ist ein Viertel der Teilnehmenden weiblich.  Schließlich werden die Menschen in Zukunft in immer internationaleren Teams arbeiten. Um den Fachkräftebedarf decken zu können, stellen Unternehmen verstärkt Kandidaten aus dem Ausland ein. Deutsch-Kenntnisse werden dabei immer weniger zur Bedingung gemacht. Der Umgang mit der kulturellen Vielfalt wird also ebenfalls zum Karrierefaktor.

Grafik: Umfrage zu den größten Risiken im Mittelstand 2021

Quellen:
Businessinsider: Zu wenig Frauen: Warum sich ein Job in der IT-Branche für sie lohnt – und wie der Schritt dorthin gelingt
Zeit: Welche Fachkraft 2030 noch gebraucht wird und welche nicht

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